S. Fischer Berlin1927, 289 Seiten. (Erstausgabe)
>> Der Steppenwolf thematisiert die versuchte Metamorphose eines vergeistigt Einsamen zu einer natürlichen bipolaren Persönlichkeit, die Wolf und Mensch, Eros und Geist, frei denkenden Künstler und angepassten Bürger als untrennbare Teile in sich trägt und anerkennt. Von mehreren Lebenstiefen in die menschenleere Steppe blutleerer Entfremdung verschlagen, vagabundiert der Steppenwolf alias Harry Haller jahrelang von Fremde zu Fremde bis er in den Bannkreis eines Dreigestirns zwielichtig anmutender Gestalten gerät, die ihn Träume, Trieb und Tabubrüche lehren. Am Ende ist er kein anderer, aber einer, der den Horizont der Steppe erblickt: „Einmal würde ich das Figurenspiel besser spielen. Einmal würde ich das Lachen lernen.“ Ein Entwicklungsroman mit Elementen des psychoanalytischen C.G. Jung, indischer Religiosität, transzendierender Rauschmittel und zwischen deutschen Kulturgütern und Weltkriegseuphorie.
Hesse strukturiert den Roman unglücklich in einer mehrteiligen Form, in dem er Harry Haller dreimal und damit redundant inszeniert, ohne dass die drei Strukturkomponenten einander überzeugend ergänzen, sei es komplementär oder antagonistisch. Im „Vorwort des Herausgebers“ führt der Neffe von Hallers Vermieterin den Steppenwolf ein. Der spurlos verschwundene Harry Haller habe ihm Aufzeichnungen hinterlassen, aus denen er zitiert und sie kommentiert. Der Neffe beschreibt Grundzüge seines Wesens und betont das Prinzipielle eines Harry Hallers, dessen Seelenkrankheit die gesellschaftliche Neurose einer ganzen Generation sei. Im zweiten Abschnitt folgen „Harry Hallers Aufzeichnungen“, die sich als selbstkritisches Tagebuch bis zum Ende des Buches erstrecken und neben der unmittelbaren Detailbeschreibung eines 10-Monate umfassenden Zeitraums auch übergeordnete Reflexionen von Harry Haller beinhalten. Im dritten Abschnitt, dem „Traktat vom Steppenwolf“, der als in sich geschlossene Abhandlung in den zweiten eingebunden ist, wird ein „Harry“ von einem unbekannten Verfasser charakterisiert. Harry Haller erhält das Traktat, das grundlegende Aspekte des Vorwortes wiederholt und andere von „Harry Hallers Aufzeichnungen“ vorwegnimmt, von einem Straßenverkäufer. Für den folgenden Wandlungsprozess Hallers, der hier mit seinem eigenen Psychogramm konfrontiert wird, mag es Grundlage des folgenden Erkenntnisabenteuers sein. Für den Leser ist eine wenig erhellende Doppelung. Hesse lässt hier die Möglichkeit ungenutzt, verschiedene Facetten des Harry Haller aus unterschiedlichen Blickrichtungen herausarbeiten.
Harry Haller ist akademisch durchdrungen, vielleicht Journalist, auf Grund öffentlicher Beiträge gegen die überschäumende Kriegsbegeisterung zum intellektuellen Verräter gestempelt, als Bildungsbürger mit großen deutschen und musischen Idealen wie Goethe und Mozart tief verbunden, enttäuscht von der Angepasstheit des verachteten Normalbürgers, und von den eigenen Überzeugungen in eine weit reichende Isolation getrieben. Harry Haller ist zum gesellschaftlichen Nomaden geworden, dessen mentale Nicht-Sesshaftigkeit ihn zu dem Entschluss führt, noch zwei Jahre bis zu seinem 50. Lebensjahr die Qualen zu ertragen, und dann gegebenenfalls mit einem Freitod die Erlösung zu suchen. Die Vorstellung lässt ihn nach Berufs-, Familien- und Heimatverlust ruhiger werden.
In dieser Grundstimmung gerät er bei einem Gaststättenbesuch in den Bann einer jungen Frau. Sie wird sich später als Hermine vorstellen. Beide verbindet von Anbeginn eine Seelenverwandtschaft, die ihr erlaubt, Hallers Krisenzustand augenblicklich zu erfassen mit der Folge, dass Harry ihr entgegen seinem Naturell bedingungslos folgen wird. Er wird mit ihr verachtete Jazzmusik genießen, wird von ihr tanzen lernen, wird sich von ihr die schöne Freundin Maria ins Bett legen lassen, wird die wilde Anonymität eines Maskenballs genießen und wird seine Vermieterin durch nächtlichen Damenbesuch überraschen. Hermine wird ihn lehren, das Leben zu genießen, Normen zu durchbrechen, ja – nicht nur den Wolf in sich zuzulassen, sondern diesen mit dem Vernunftmensch in einen Rhythmus zu bringen. Er folgt Hermine, obwohl sie beängstigend klar absolute Gefolgschaft fordert und voraussagt, dass er sie am Ende töten wird. Dieser von ihr geforderte Tod ist die symbolische Tötung des alten, des versteinerten Harry Hallers. Eine Seelenüberwindung, die unabdingbar scheint für die Läuterung, für die Geburt des neuen Harry Haller, der Wolf und Mensch in sich in Gleichklang zu bringen bereit ist. Die Mediatoren dieses beginnenden Läuterungsprozesses sind neben der weisen Dirne Hermine ihre wunderschöne Freundin Maria und der von beiden Frauen geliebte Jazzmusiker Pablo. Während Hermine die wissende Seherin des Trios darstellt, ist Maria unmittelbare Erotik in ihrer reinsten Form. Pablo verkörpert den Zauberer, der zunächst mit Musik, später mit bewusstseinserweiternden Drogen Erlebniswelten jenseits der Ratio für Harry Haller eröffnen wird. Harry Haller wird in bizarre Welten gespült. Bereitwillig lässt er sich von den Strömungen erfassen, ist überrascht von ihren stimulierenden Strudeln und badet in lebensbejahenden Aromen.
Höhepunkt ist der Besuch eines magischen Theaters, in das ihn Pablo unter dem Einfluss eines Drogenelixiers führt. Tausend Türen führen ihn in verdrängte und geleugnete Verschläge seiner Seele. Gewaltorgien werden begeistert ausgelebt. Eitelkeiten selbstverständlich zelebriert, Liebesfantasien nachgeholt und schließlich der vorhergesagte Mord an Hermine vollzogen, während sie gerade mit Pablo verkehrt. Benommen verlässt Harry Haller das Traumkabinett. Die in einem Gericht vorkündete Höchststrafe für den Mord scheint ein Teil des Schlüssels für verschlossene Türen seines Selbst zu sein: man verordnet ein unbegrenztes Leben mit Humor. Haller scheint auf dem rechten Weg – auch sein geschätzter Mozart spricht ihm in dieser Welt des Unbewussten Mut zu – dennoch ist noch eine unbekannte Wegstrecke unbewältigt.
Vermutlich ist es vor allem das Anliegen der Sinnsuche und die unvollendete Selbstfindung, die den Roman Steppenwolf in Zeiten gesellschaftlicher Zweifel nach den Welt- und dem Vietnamkriegen wieder eine hohe Aufmerksamkeit bescherte. Literarisch durchaus mit Feinheiten angereichert, überzeugt die Konstruktion jedoch nicht vollständig. Note: 3 (ur)<<
>> Das Vorwort des Herausgebers nimmt eine Botschaft der nachfolgenden Aufzeichnungen Harry Hallers vorweg: Nicht die „pathologischen Phantasien eines einzelnen, eines armen Gemütskranken“ offenbart uns Hesses „Steppenwolf“, nein, dies ist „ein Dokument der Zeit, denn Hallers Seelenkrankheit ist….die Neurose jener Generation, welcher Haller angehört, und von welcher keineswegs nur die schwachen und minderwertigen Individuen befallen scheinen, sondern gerade die starken, geistigen, begabtesten.“ Sieht man von der mehr als irritierenden Kategorisierung der Individuen durch den Neffen der Vermieterin einmal ab, so spiegelt sich in der Figur des Steppenwolf in der Tat die Krise einer Gesellschaft, die nach der Katastrophe des 1. Weltkriegs von Harry Haller als „sinnlos gewordenes Menschenleben“ erfahren wird. Untergang des Abendlands (unglaublich visionär Hesses Gespür für die Katastrophe der Jahre nach 1933), „bankrotte Ideale“, Verhöhnung der Bürgerlichkeit, Fluch über „diese fette gedeihliche Zucht des Mittelmäßigen, Normalen, Durchschnittlichen“, eine zuweilen radikale Zivilisations- und Konsumkritik (Luxusstädte, Massenvergnügungen, Negermusik, Lust ein Warenhaus kaputt zu schlagen) – die gebrochene Künstlerexistenz Harry Haller und in ihr Hermann Hesse zieht sich in die Einsamkeit zurück. Zwei Schicksalsschläge Hesses, der Verlust seines Vermögens und der Zusammenbruch seines Familienlebens durch seine geisteskrank gewordene Frau markieren den autobiographischen Hintergrund. Doch der Abschied von der Welt (Selbstmordpläne des 48jährigen Haller), der Rückzug in die kleine Mansarde, umgeben von dem, „, was wir `Kultur‘, was wir Geist, was wir Seele, was wir heilig nannten“, diese Scheinheimat des „einstigen Europas“, der „echten Musik“ (Bach, Mozart), der echten Dichtung (Goethe), erfährt eine Wendung mit der Lektüre des „Traktats vom Steppenwolf“. Diese „Studie von unbekannter Hand“ hält Harry Haller den Spiegel vors Gesicht, hebt den vordergründigen Dualismus von Mensch und Tier, Geist und Trieb, Heiligem und Wüstling auf und verweist auf die Vielfalt von Persönlichkeitsstrukturen. Das Traktat eröffnet Haller die „Befreiung seiner verwahrlosten Seele“ und verheißt ihm „tausend magische Möglichkeiten“ der Erkenntnis: „Ein Nichts genügt, und der Blitz schlägt ein“ (239). Mit dem Blitzeinschlag ins Magische Theater verlassen wir im Wesentlichen die Mansarde und die dumpfe Betäubung im „Stahlhelm“. Neben den Kopf tritt der Bauch. Hermine, Pablo, Maria sind die Verheißungen der Gegenwelt und mit ihnen oder durch sie erfüllt sich für Harry Haller zunächst auf realer Ebene und später – wie Faust verjüngt – durch einen großartigen orgiastischen Ritt in die Welt des Unterbewussten (Türen und Inschriften eröffnen das „Jagdabenteuer“ ins Nebeneinander von Eros und Destruktion) das, was ihm bisher verborgen, und daher unerfüllt blieb. Hallers Erinnerungen an die ersten Beziehungen zu Frauen, seine Enttäuschungen, seine Wunschträume, die Erfahrungen neuer Formen des Spiels mit Maria, das wolllüstige Nacherleben des Entgangenen hinter dem Türchen „Alle Mädchen sind dein“, – ja, Männerphantasien und von Hesse glänzend beschrieben.
Dass sich das Magische Theater zunehmend in ein von mephistophelischer Hand gesteuertes Figurentheater auflöst, Harry und Gustav Episode, Hermine Hermann Verschmelzung, Harrys Hinrichtung, Pablo und Mozartidentität (komödiantische Züge), eröffnet der Psychoanalyse sicherlich ein weites Feld. Ich jedenfalls konnte am Schluss nicht lachen, zumal unklar bleibt, was Harry Haller umnebelt vom „süßen schweren Rauch“ wirklich begriffen hatte: „Oh, ich begriff alles“. Note: 2 (ai)<<
>> Der Meister H.H. himself stellt im Maria-Kapitel des „Steppenwolf“ die Frage, die man sich zwangsläufig stellen muss, wenn man dieses Buch 40 Jahre nach der ersten eigenen Rezeption im zarten Alter von 25 Jahren heute wieder liest: “Hatten wir Kenner und Kritiker nicht alle als Jünglinge Kunstwerke und Künstler glühend geliebt, die uns heute zweifelhaft und fatal erschienen?“ Eine Lese- Versuchsanordnung mit dreifacher Fragestellung: Kommt die Erinnerung an das eigene Lebensgefühl der 70-er Jahre wieder, lassen sich die enormen Wellen, die das Buch damals in Europa und besonders in den USA auslösten heute noch nachempfinden und was hat der Steppenwolf mir heute noch zu sagen?
Der formale Aufbau besticht meiner Meinung nach auch heute noch: Da ist das 30 Seiten umfassende „Vorwort des Herausgebers“, in dem der Neffe von Harry Hallers Vermieterin seine Sicht auf diesen eigenartigen Außenseiter schildert. Dann Harry Hallers eigene Aufzeichnungen- untertitelt mit „Nur für Verrückte“. Darin eingebettet dann das in einem Jahrmarktheft gefundene und von „unbekannter Hand“ geschriebene „Tractat vom Steppenwolf“, das einen Mann namens Harry, genannt der Steppenwolf beschreibt. Annäherung also von drei Seiten, das ist spannend.
Die enthusiastische Wiederentdeckung in den 70 er Jahren, als ein nicht unbeträchtlicher Teil der politisierten Jugend sich auf dem Weg nach innen machte und die Hippiebewegung aufkam, lässt sich auch heute nach gut nachempfinden. Der Steppenwolf, der im „Zeichen des Wassermanns stand“ („age of aquarius“), verabscheut zwar die bürgerliche Welt und führt ein ganz und gar unkonventionelles Leben, es bleibt aber auch eine gewisse Sehnsucht nach der Ordnung seiner Kindheit in genau dieser Welt. Er fühlt sich aus aller Geborgenheit und Unschuld heraus gefallen und leidet an der Streberei, der Eitelkeit, der Oberflächlichkeit und an dem eingebildeten, seichten Getue seiner Umgebung. Seine Abneigung schlägt in richtiggehenden Hass um, wenn er die satte Zufriedenheit geißelt, die sich auch bei ihm manchmal einstellt und er dann den Wunsch nach wilden, echten Gefühlen und Schmerz verspürt und eine Lust bemerkt, irgendetwas kaputtzuschlagen, etwa ein Warenhaus oder eine Kathedrale. Ob Andreas Baader den „Steppenwolf“ gelesen hat? Oder Rio Reiser? („Macht kaputt, was Euch kaputt macht“) Auch seine Warnung, nicht das „Denken“ als alleinige Voraussetzung für die Entwicklung des Menschen anzusehen, passt gut in eine Zeit, in der die Ratio zugunsten von Emotion und Spiritualität in den Hintergrund trat und sich hunderttausende einem fernöstlichen Bhagwan oder anderen Gurus zuwandten und in der Individualität auf dem Weg zur Erleuchtung ein Hemmnis darstellte.
Die Bipolarität Mensch-Tier, Geist- Trieb, Ich und nichtsublimierte, reine Natur, stellt zwar eine grobe Vereinfachung dar, hilft aber bei einer ersten Analyse. Dazwischen schwankt “ angstvoll bebend sein Leben“. Seine Vision vom „wahren Menschen“ , der Weg zu den „Unsterblichen“ könnte von Nietzsches „Übermensch“ beeinflusst sein, in der Adaption der 70 er Jahre mag darin mancher der Weg zur „Erleuchtung“ gesehen haben. Visionär und gleichzeitig auch zeitlos (Erscheinungsjahr 1927) die Passagen über Kriegsvorbereitungen und Kriegstreiber. Ebenso sieht er mit der aufkommenden Verbreitung von Radioapparaten auch die Gefahren der Zerstreuungs- und Unterhaltungsindustrie auf die Gesellschaft zukommen. Fulminant übersteigert wird dieser Kulturpessimismus dann später in der im Drogenrausch erlebten, Gewaltorgie gegen Autos und ihre Fahrer, die schon etwas von den Amokläufen des 21.Jahrhunderts erahnen lässt.
Im verruchten Schwarzen Adler trifft HH dann Hermine. Nicht zufällig das weibliche Pendant zu Hermann, HHs „Jugendfreund“ . In Nebel der Drogen verschwimmen dann auch folgerichtig die Grenzen zwischen den Geschlechtern und Hermine und Hermann sind eins. Hermine wird für den Steppenwolf zum Meister, zum Führer in seine Innenwelt, so wie es später in den 60- er Jahren der Meister „Don Juan“ für Carlos Castaneda oder die Zen-Meister für Heilsuchende wurden. Sie führt ihm auch Maria zu, durch die HH einen ganz neuen Kosmos kennen lernt: Begierde, raffinierte Liebesspiele, bedingungslose Hingabe, Ausschalten des Intellekts, Anerkennung geheimer Triebe, freie Liebe. Maria hat zwar keine Bildung, sie erreicht aber seine Seele.
Hermine wiederum ist eine intellektuelle Führerin: Sie verortet ihr Schicksal und das des Steppenwolf in ihrer Zeit: Für sie beide sei die heutige Zeit nicht gemacht, sie hätten eine Dimension zu viel für die Welt.
Ein weiterer Führer ist Pablo, der ebenfalls ein Geliebter Marias ist und der Hermine mit Drogen versorgt. Auch HH lässt sich mit Pablo auf das Rauchen von Substanzen ein, die ihnen den Eintritt in eine eigene Welt ohne Zeit, das “magische Theater“ verschaffen, in der sie ihre Persönlichkeit hinter sich lassen können, sich selbst nicht mehr ernst nehmen müssen. In diesem magischen Theater gibt es unzählige Zimmer mit originellen Aufschriften, wie „Alle Mädchen sind dein!“ oder „Auf zum fröhlichen Jagen!“, in dem die schon beschriebene Hatz auf Automobile abläuft.
Die Reise durch die Zimmer des magischen Theaters gleicht einer Reise in die tiefsten Schichten der Psyche und stellt für mich ein Highlight des Romans dar, nach dessen Lektüre sich auch heute noch gut nachvollziehen lässt, dass er zum Kultbuch einer ganzen Generation und zum Wegweiser für weitere Kultbücher werden konnte.
Note: 2+ (ün)<<
>> Sie lesen hier einen meiner Buchkommentare, die, wie ein Mitquartettler unlängst im Tessin völlig zu recht meinte, auf dem Weg zwischen Ahornweg 6 und Ahornweg 12 entstehen. Voll erwischt.
Also: keine leichte Kost, dieser Steppenwolf. Die Warnung des Autors: „Eintritt nicht für jedermann“ macht schon Sinn. Nicht erst auf der letzten Seite spüre ich, dass es der Autor des Romans ungleich schwerer mit dem Leben und sich selbst hatte als etwa ich, obwohl er es, wie man so zu sagen pflegt, in vielerlei Hinsicht deutlich „weiter“ brachte. Darf man einen, der die Wonnen der besinnungslosen Hingabe in einem Alter entdeckt, in dem andere schon fast wieder ihren Frieden mit den Trieben schließen, einen Spätzünder nennen? Oder ist das zu respektlos gegenüber einem Nobelpreisträger, der ganz gewiss viel Gutes getan hat in seinem langen Leben, das er eigentlich mit 50 beenden wollte, sich aber zum Glück eines Besseren besann. Auf eine Inhaltsangabe kann ich getrost verzichten. Da gibt es schon viele, viele und sehr gute. Die Sekundärliteratur ist immens.
Aber auch mit selbiger habe ich keinen rechten Zugang gefunden. Vielleicht weil es „Nur für Verrückte“ geschrieben ist? Oder weil ich inzwischen vielleicht schon zu alt bin für dieses Buch ? Petra Kipphoff hat das Buch zweimal gelesen. Zuerst als Jugendliche und dann viel später nochmals. Da kann sie ihre erste, aufgewühlte Reaktion überhaupt nicht mehr verstehen (ZEIT-Bibliothek der 100 Bücher). Abgesehen vom Kapitel „Hochjagd auf Automobile“, das in seiner visionären Kraft furchterregend wirkt. Diese Szenen beunruhigen. Die Rocknachtigall Lindenberg hingegen hat einen ganz persönlichen Zugang zum Autor gefunden „Danke Hermann, für Deine Inspiration!“ ruft Udo in die Calwer Sommernacht (Südwestpresse, 21.Juli 2014). „Bei meinem ersten Besuch in seiner Geburtsstadt Calw lag Magie in der Luft…“ schreibt Lindenberg auf der Homepage seiner Stiftung (www.udo-lindenberg-stiftung.de), auf der sich manch Interessantes zu Hesse findet. Fahren wir doch mal zusammen nach Calw…
Das letzte Wort soll aber nicht sein Fan, sondern der Autor selbst haben:
„… Steppenwolf trabe und trabe,
Die Welt liegt voller Schnee,
Vom Birkenbaum flügelt der Rabe,
Aber nirgends ein Hase, nirgends ein Reh!“
(…).
Nirgends.
Note: 3/4 (ax)<<